Von der Sänfte zur Fahrradrikscha
„Rikscha“ kommt von dem japanischen Wort „Jin-riki-sha“, übersetzt hieße es „Mannkraftmaschine“ („Jin“ – Mann, „riki“ – Kraft und „sha“ – Maschine). Natürlich ist damit nicht die Rikscha wie wir sie kennen gemeint. Bevor man so schlau wurde und den Mann aufs Fahrrad setzte, ließ man ihn eine zweirädrige Rikscha an langen Holmen ziehen. Natürlich war auch dies schon eine enorme Erleichterung gegenüber den Sänften mit denen zuvor die Adligen von mehreren Männern getragen werden mussten.
Bereits im 17. und 18. Jahrhundert fuhren die ersten rikschaähnlichen Gefährte durch die Straßen von Paris, wie das Gemälde von Glaude Gillot „Les Deux Carosses“ von 1707 beweist. In Paris konnte sich diese Art Sänfte mit Rädern allerdings nicht richtig durchsetzen und verschwand recht schnell wieder.
Welcher kluge Kopf diese zweirädrige Rikscha nun neuerfunden hat, ist auch weiterhin unklar. Mir bekannt sind drei Versionen. Die erste stammt von dem Reporter Egon Erwin Kirsch (1885-1948). Er schreibt in seinem Buch „China geheim“:
„Die Jinrikscha kommt aus Japan, wenn auch ihr Erfinder ein Europäer war. Der Mann, der als erster den Einfall hatte, einem Handwagen einen Stuhl aufzusetzen und diesen Fahrstuhl als öffentliches Verkehrsmittel zu verwenden, war der anglikanische Geistliche Reverend M. B. Bailey, o Segnungen des Westens und der Kirche. Das geschah Anfang der siebziger Jahre in Tokio.
Ein Franzose namens Ménard eilte nach China, nach Schanghai, um eine Konzession für den Rikschaverkehr zu erlangen. Aber die Stadträte der amerikanischen und englischen (später internationalen) sowie der französischen Gemeinde wußten, daß Ersetzung von Tier oder Maschine durch Menschenkraft hierzulande das sicherste Geschäft ist, und dachten gar nicht daran, dem flinken Importeur ein so einträgliches Monopol zu schenken. Sie beschlossen, gegen ansehnliche Steuern zwanzig Lizenzen für je zwanzig Rikschas auszugeben.
Monsieur Ménard hätte über den Umstand, eine dieser Lizenzen zu bekommen, recht froh seine können, wenn, ja wenn er Geld genug gehabt hätte, die zwanzig Karren herstellen zu lassen. Er hatte es nicht, und so mußte er sich mit zwölfen begnügen. Das mißfiel den beiden Stadtverwaltungen, sie wollten jede Lizenz im Interesse ihrer Steuerkasse zwanzigfach ausgenützt sehen. Am 31. März 1875 entzogen sie ihm die Lizenz, ihm dem Pionier der Rikschas, die noch heute, im Zeitalter von Taxi, Privatauto, Autobus, Motorrad und Straßenbahn, der Französischen Konzession jährlich 267966 Tael und dem International Settlement 337030 Tael einbringen!“
Die zweite Version ist eine Überlieferung aus Japan, die Japaner halten natürlich diese Version für die Richtige. Glaubt man ihr so ist die Rikscha das gemeinsame Werk eines Gemüsehändlers, eines Waggonbauers und eines Adligen, um eine brauchbarere Transporthilfe zu schaffen. 1870 soll die einfallsreiche Erfindung in Tokio offiziell angemeldet worden sein.
Die dritte und am meisten verbreitete Version ist die von dem Baptistenmissionar Jonathan Gable, der die Rikscha 1860 seiner invaliden Frau zu Liebe erfunden haben soll. Diese fand es unerträglich sich von ausgemergelten Männern durch die Straßen Tokios tragen lassen zu müssen. Die Sänfte war damals stets das Transportmittel der Reichen, ein geschlossener Transportkasten mit langen Holmen schützte die Adligen vor den Blicken der mittellosen Gestalten in der Stadt. Die Träger hatten also nicht nur den Gast zu tragen, sondern auch die Sänfte. Dem amerikanischen Missionar also soll der geniale Gedanke gekommen sein diesen Transportkasten auf zwei Räder zu stellen. Dies hatte zur Folge, dass das Gefährt nicht nur weniger Kraft für den Transport benötigt, sondern auch nicht mehr ausbalanciert werden musste.
Der Siegeszug der Rikscha begann: Zuerst erreichte sie von Japan aus Shanghai 1874, wenig später Hongkong und dann den gesamten fernen Osten. Selbst die USA erreichte der Boom: In New Jersey entstand eine Rikschaschmiede, die die Kunden in Fernost belieferte.
Um die Jahrhundertwende wurde auch die indische Stadt Kolkata (Kalkutta) erreicht. Kolkata ist heute die letzte Stadt weltweit, wo die handgezogenen Rikschas noch eingesetzt werden, aber auch das könnte sich sehr bald ändern. Denn
Buddhadeb Bhattacharjee, der dortige Regierungschef hat den Rikschas den Kampf erklärt und lässt sie nun auch in Kolkata verbieten.
In den Zwanziger und Dreißiger Jahren haben die Menschen dann auch angefangen Zugtiere vor die Wagen zu spannen, um so die Männer von ihrer wirklich schweren Arbeit zu entlasten.
Die Entwicklung der Fahrradrikscha
Bereits um 1769 gab es eine sehr phantasievolle Konstruktion von John Vever (bzw. Bever). Dieses vierrädrige Gespann wurde vom Vordermann gelenkt, während der Diener am Heck den Wagen mit Tretkurbeln antrieb.
Wann genau dann die Fahrradrikscha wie wir sie kennen erfunden wurde, ist unklar, fest steht dass nun durch diese Erfindung die Arbeit des Rikschawallahs (Fahrer) erheblich erleichtert wurde, er konnte auf weiteren Wegen mehr Güter bzw. Fahrgäste transportieren.
Mit der Ausbreitung der Fahrradrikscha kam es dann auch zu den regional verschiedenen Ausführungen: In Indien, Bangladesh, Nepal und in den thailandischen „samlors“ sitzen die Gäste hinter dem Fahrer, vor dem Fahrer sitzen sie in den „cyclos“ Vietnams und den „becaks“ Indonesiens und in Myanmar sitzen die Gäste Rücken an Rücken hinter dem Fahrer.
Die Tage der traditionellen Fahrradrikschas in Asien scheinen allerdings gezählt. Das kaum vorstellbare Verkehrschaos in den asiatischen Metropolen, die extreme Luftverschmutzung und nicht zu letzt die fragwürdigen Verbote der Behörden verdrängen die umweltschonendere Alternative zum motorisierten Verkehr immer mehr aus den Städten.
Quellen: de.wikipedia.org, en.wikipedia.org
Hintergrundtext zur Ausstellung von Walter Keller
Bilder: Les Deux Carosses, Sänfte, Aus: Wilhelm Wolf, Fahrrad und Radfahrer, Leipzig, 1890, Public Domain